WURZEL:VERZWEIGUNG
w:v0, w:v1, w:v2, w:v3, rhizom1, rhizom2, minima
JAHRESZEITEN
daoistische etüde II, sommerhäuser mit gästen, bella donna
GEGENDEN, HÄUSER, WEGE
windrose, tore und schlüssel, annas einsame wege, dhikr, bet el, schwarzmond, weghaus wortweg, hausrock
U3
eingang, blau, merseburger remix, orange, entrancexit, ausgang
INTERJEKTIONEN
oh, oh 2, ach ja
dem weißen blatt
stille seite
WURZEL:VERZWEIGUNG
w:v0, w:v1, w:v2, w:v3, rhizom1, rhizom2, minima
JAHRESZEITEN
daoistische etüde II, sommerhäuser mit gästen, bella donna
GEGENDEN, HÄUSER, WEGE
windrose, store und schlüssel, annas einsame wege, dhikr, bet el, schwarzmond, weghaus wortweg, hausrock
U3
eingang, blau, merseburger remix, orange, entrancexit, ausgang
SPRÜCHE
spruch 1, spruch 2
INTERJEKTIONEN
oh, oh 2, ach ja
ZWISCHEN (1) UND (2)
(1), (2)
KREUZE
kreuz I cusanisch, kreuz II
weisses bild
unerwartetes ende
Fügungen:Epilog
„Die altirische Vokabel für Poesie selbst war creth, das mit cruth, der Form, ebenso verwandt ist wie mit dem vedischen Wort für machen und den slawischen und litauischen Wurzeln der Magie: dem Zauberspruch. Creth bedeutet also, das eine in das andere zu verwandeln, es durch das Wort, die Magie, die Metapher zu übertragen.“ (R. Schrott, Die Erfindung der Poesie, 300)
Es fügt sich. Gedichte entstehen so: auftauchende Fügungen. Fügung: Name für das, was weder Zufall noch Notwendigkeit ist, weder einfach sinnlos zustoßend noch aus dem eigenen Entwurf willentlich hervorgebracht. Eher schon: ins Spiel kommend. Mitsprechend, mitschreibend, mitdenkend sich in dieses Spiel ziehen lassen, ist wie das Werfen des I Ging, das einen magischen Raum aufspannt, innerhalb dessen Zeichen in ihrer Bedeutsamkeit für die jeweilige Situation erscheinen können. Der magnetische Garten der Fügung, gespeist von den fruchtbaren Tiefenströmungen der Zeit.
Die Fügung, in deren Spiel man eintritt, gehört/geschrieben in und aus der Stille, in und aus der Leere des weißen Blattes, ist lange vor aller Intention eines Autors und immer über sie hinaus: Anrufung und Mitteilung. Jedes Wort geht ins Ganze der Sprachwelt und ruft es in neuer Gestalt hervor, die Leere konturierend, eine Bewegung im Offenen, die eine schwarze Spur hinterlässt.
Querfeldein-Bewegung des Geistes in der Gegend, in der sich Sein und Nichts, Form und Leere innig durchdringen. Wohin fährst Du? Hinaus ins Weiße, ins Unbekannte, zur unvorhersehbaren Fügung. Schwarz auf Weiß kommt eine Welt zum Vorschein. Eine mögliche oder die wirkliche? Die wirkliche in der Mandorla des Möglichen? Die mögliche im neu vernähten Gewand des Wirklichen?
Fügung ist Epiklese, Einladung unsichtbarer Mächte, Heilung von Krankheiten durch Besprechung lädierter Gliedmaßen, Schelmengeplauder mit Schutzengeln oder Dämonen, Mahlhalten mit den Göttern und alchemische Verwandlung, immer aber Ankommen von Verborgenem. Jede Fügung beerbt den Zauberspruch, seine Verfeinerung in liturgischer Anrede und Gebet, seine bildhafte Konstellation in der Kunst des Sterndeuters und Handlesers.
Das Weiß, der leere Schriftraum: ein Feld, das von Möglichkeiten vibriert. Die leere Seite ist ein heiliger Ort, der zur Aufführung verschiedener Zaubereien geeignet ist. Von allen Oberflächlichkeiten entleerte Oberfläche, ruft er die Mächte der Tiefe an. Er befreit die Vision davon, nur Teil eines Selbstgesprächs zu sein und sättigt sie mit Welt.
Die gehörten, gespürten geschauten, geatmeten Strukturen kommen aus der Leere und erhalten von ihr eine Ordnung. Der Vorgang der Gestaltung stellt sie dorthin zurück, von woher sie kommen. Dabei geraten sie ins Kraftfeld des magnetischen Gartens, das sie zu einer Welt konstelliert. Raum der Korrespondenzen und schöpferischen Spannung.
Es erscheint das einander Entsprechende, das Wesen des einen im Wesen des Anderen.
Analogia entis radikalisiert: Seinsmannigfaltigkeit als Metaphernspiel. Nicht Eines entspricht dem Anderen, sondern Eines spricht im Anderen.
Eine Ästhetik der Leere, im Spiel mit einer Ästhetik der Analogie als Form dieser Leere.
Das Über-sich-Hinausweisen der Worte in verschiedene Bedeutungsrichtungen ist das Ursprünglichere gegenüber den auf Einsinnigkeit festgelegten, recht und schlecht definierten Begriffen; denn das Offene, in dem alles an allem teilnimmt … ist der tragende Grund, auf dem wir einzelne Erfahrungsgegenstände miteinander vergleichen und ordnen, meist ohne auf ihn zu achten. Das Metaphorische, das den Lebensnerv der Poesie ausmacht, ist weder nachträglich noch ungenau gegenüber gleichsinnigen feststellenden Aussagen, sondern die ursprünglichere Form von Sprache.
Das Hypnotische, Suggestive durchkreuzen mit Nüchternheit und so in das Medium des subtil Leichten transponieren.
Fingerspitzengefühl für das Vielsagende. Die Worte achtsam an einer Bedeutung nehmen und sie in einen neuen Zusammenhang bringen, ohne die anderen Bedeutungen zu behindern: Im Gegenteil: Sie sollen in ihrem neuen Oikos aufleben.
Reduktion: Steigerung der Intensität durch Verknappung der sprachlichen Mittel, Verdichtung der Vieldeutigkeit, nicht ihre Abschaffung.
Im Stimmengewirr des Zuviel-Sagenden deutet nichts mehr irgendwo hin. Unverzichtbarkeit der Stille für das Funkeln der Metapher.
Der Begriff der Metapher von metaphéro, übertragen, ändern, wechseln, ist, wie oft bemerkt wurde (man denke nur an Heidegger oder Ricoeur), im durchschnittlichen Verständnis blaß und sogar irreführend, weil er nahelegt, das Metaphorisieren misszuverstehen als Benennung einer Sache, für die es bereits eine konventionelle Bezeichnung gibt, mit einem Wort, das ursprünglich etwas anderes bedeutet. Aber warum sollte man auf übertragenen Sinn zurückgreifen, wenn man etwas auch direkt sagen kann? Da bleibt dann der Metapher nur mehr die Aufgabe einer Ausschmückung, die das, was man auch im Klartext sagen könnte, aus gegebenem Anlaß (Geburten, Hochzeiten, Todesfälle) etwas luxuriöser darbietet.
Auch der Rekurs auf das sogenannte Bildhafte führt nicht weiter. Unbestreitbar ist das Visionäre oder genauer das Erscheinenlassen verdichteter Sinngestalten in allen Sinnesbereichen (nicht nur im Visuellen, auf das die Vision sich bezieht) ein relativ notwendiges Organ für das Entdecken des Metaphorischen. Aber die Bilder tauchen auf, weil das Metaphorische uns anspricht, nicht läßt dieses sich aus jenen erklären.
Metaphernbildung ist Metamorphose, kein Bilden einer zweiten uneigentlichen Bedeutung, sondern Verwandlung. Sein und Sinn des einen werden zu Sein und Sinn des Anderen, sie spiegeln sich in einander und bringen so einander ans Licht. Liegt hierin nicht das Wesen der Sprache? Poesie als extreme, weil in einem ungewöhnlichen Freiraum sich ereignende Weise des sprachlichen Weltentwerfens.
Die Gesetze der Poesie sind auch die Gesetze von Traum und Mythos.
„Die Konstruktionsbedingungen, denen die angeblich ungebundene Phantasie des freien Künstlers unterworfen ist, sind derart streng, daß sie sich nur mit den Konstruktionsbedingungen der reinen Mathematik vergleichen lassen.“
Picht: Kunst und Mythos, 155.
Das Eigentümliche am Spiel der poetischen Einbildungskraft liegt darin, daß es aufgrund dieser Gesetze begeistert und zugleich mit großer Wachheit und Besonnenheit intensive, d. h. äußerst gesammelte Gebilde hervorbringt, die im Hör- und Sehraum der Sprache erscheinen.
Die Macht dieser Fügungen ist nicht vom Willen abhängig. Um ganz ankommen zu können, müssen sie im Gegenteil vom Ausdruckwillen des Schreibenden oder Sprechenden frei gehalten werden. Nur so bewahren sie die Würde ihrer Magie.
Das Schwerste am Poetisieren der Welt liegt vielleicht darin, subjektive Zutaten von ihm fern zu halten.
Die Korrespondenzen betreffen nicht nur die neuen Sinn öffnende Interferenz von konventionellen Wortbedeutungen, sondern das Wort erhält seinen Sinn im poetischen Gebilde auch durch seinen Klang, seine räumliche Position im Verhältnis zu den anderen Worten sowie zum Raum der ganzen Seite, die Größe und Art der Schrifttype und die Beziehung zum Weiß bzw. den anderen Farben des Papiers. Dazu kommt noch der Rhythmus, die zeitliche Proportion.
„Metaphern sind die Traumarbeit der Sprache […] Die Traumdeutung verlangt Zusammenarbeit zwischen einem Träumenden und einem Wachenden, seien es auch dieselbe Person; und die Ausführung der Deutung ist selbst eine Leistung der Vorstellungskraft. Auch das Verstehen einer Metapher ist ebensosehr schöpferisches Bemühen wie das Hervorbringen einer Metapher […].“
Davidson: Wahrheit und Interpretation, 343.
Eine Metapher ist auch insofern verwandelnd, als sie in den Verständnisraum dessen, dem sie mitgeteilt wird, hinübergetragen wird und dort als Kristallisationskern neuer Zusammenhänge fungiert. Die Deutung ist selbst von der Art der Metapher, ist metaphorische Leistung der Phantasie.
Die Elemente der Poesie:
Was den Weltgehalt ausmacht, sein Medium: die Metapher als das was das kreative Moment an der Poesie ausmacht. aber die Metapher als Teilhabe des Anwesens der Dinge aneinander, die Widerspiegelung des Einen im Anderen, wodurch jedes erst in seiner Fülle zum vorschein kommt. Eben diese wechselseitige Durchdringung im Sein ruft als Antwort die dichterische Metapher hervor. Was da zu wem findet, in wem wiederauftaucht, welche Bereiche sich wie durchdringen, das macht die Eigenart der Welt aus, die der Dichter heraufbeschwört. diese Welt ist nie nur seine eigene, aber auch nicht seine Erfindung, sondern Fügung.